• Barton Fink
    1991 | USA - GBR | 116min
  • New York 1941. Barton Fink (John Turturro) wird für sein Theaterstück “des kleinen Mannes” gefeiert und folgt dem Ruf nach Hollywood. Hier soll er für den Filmboss Jack Lipnick (Michael Lerner) ein Drehbuch zu einem B-Movie Wrestling Film schreiben. Barton checked ins Earle Hotel ein, eine billige Absteige, weil er sein Konzept, welches er am Theater vertrat, nicht aufgeben möchte -dem kleinen Mann nahe zu stehen.

    Nur fällt ihm in der “neuen” Welt das Schreiben alles andere als leicht. Als er dann mit einem gewissen Charlie Meadows (John Goodman) -sein Zimmernachbar- Freundschaft schließt, überschlagen sich die Ereignisse. Zuletzt bleibt die Hoffnung, endlich -mit Hilfe des auch beim Studio angestellten W.P. Mayhew (John Mahoney) und dessen Sekretärin Audrey Taylor (Judy Davis)- das Drehbuch fertig zu stellen …

    Kritik

    Dieser frühe Film der Coen Brüder -der 5.- ist auf den ersten Blick eine Ohrfeige gegen die Filmwirtschaft Hollywoods, auf den zweiten Blick ein Portrait des “toten Autors”, und auf den dritten Blick eine Tragikomödie mit “tiefen” Ambitionen.

    „Nur wenn ich nicht schreiben, wenn ich mir selbst nicht entfliehen kann, dann möchte ich Schreiend durch die Straßen laufen als hätte mir ein Obstpflücker meine Eier abgerissen“

    Heute scheinen die Bosse der Filmwirtschaft wenig Einfluss zu haben, mehr der Aktienanteil an der Produktionsfirma ist wichtiger um etwas sagen zu haben. Früher, ja früher, war alles anders. Bosse, waren noch Bosse, und konnten machen was sie wollten: Feuern, einstellen, gängeln, zureden, mal Gott spielen, mal Teufel sein. Das mutet niveaulos autoritär an, und wer kann diese Rolle, eines schwergewichtigen Studiochefs, besser -so jedenfalls mein Eindruck- spielen als Michael Lerner. In der ersten Hälfte des Films kann man einfach -so wie Barton Fink- nur dasitzen und sich anhören, was der Mann da, hinter seinen Schreibtisch ohne auch nur einmal Luft holen zu müssen, zu sagen hat.
    Er zeigt dem Autor die Türen und auch den Ablauf des Filmgeschäfts, wo anfangs dieser die wichtigste Person ist, und im Verlauf des Films nur ein Sklave seiner eigenen Ketten -die er sich selber angelegt hat, als er die Unterschrift unter dem Vertrag setzte- wird. Glücklicherweise (oder tragischerweise) hat Barton Fink einen Genossen, von dem er so viel als Schriftsteller hält, gleichsam die Enttäuschung hinnehmen muss, dass W.P. Mayhew ein Schatten seiner selbst geworden ist.

    Die Coens entwarfen die Figuren Barton Fink und W.P. Mayhew in Anlehnen an Clifford Odets und William Faulkner. Ersterer ist wie Barton Fink mit Neugier, Enthusiasmus und der Aussicht auf das schnelle Geld nach Hollywood gekommen. Letzterer sollte auch einen Wrestling Film schreiben, und wie bei W.P. Mayhew ist er dem Alkohol verfallen. Sinnbildlich ist aber auch für jeden Autor der Hinweis gegeben, seine Seele nicht ganz den Studios zu verkaufen. Denn sonst… schreibt man in der Hölle.

    „Wenn ich an Ihrer Meinung interessiert wäre, dann würde ich zurücktreten und Ihnen die Studios überlassen. Aber sie zählt nicht, denn noch werden Irre diese Anstalt nicht übernehmen.“

    Auch hier geben die Coens den Takt vor und spielen mit Hinweisen, die diese These untermauern. Barton Fink ist zwar in der realen Welt und geht seinen Bedürfnissen nach, sobald er sich aber wieder an die überaus “bedeutsame” Aufgabe setzt, das Drehbuch des Wrestling Films zu schreiben, befindet er sich in der vor gelagerten Hölle. Wenn zum Beispiel der Page und Rezeptionist Chet (Steve Buscemi) am Anfang aus einer Bodenluke (Unterwelt) steigt, um den Hotelgast zu begrüßen, im Fahrstuhl 3 mal die 6 gesprochen wird, die Wände langsam durch die Hitze den Tapetenleim verlieren (und später sogar Feuer fangen), kein anderer Gast auf den Fluren des Hotels zu sehen ist, nur ihre übrig gebliebenen Schuhe und Charlie Meadows die rechte Hand des Teufels in Dergestalt eines Serienkillers ist, der die Seelen erntet.

    Zwar kann man diese “Welten” deuten und wie gelesen untermauern, aber muss das nicht das endgültige Resultat dieses Films sein. Eher als symbolträchtige Litfasssäule, um die man herumgehen kann und mal das eine, was man betrachtete links liegen zulassen, und das andere neu aufgreifen. Denn nicht nur die Produktion des Films kritisieren die Coen Brüder auf sarkastische Weise, auch den viel sagenden Titel “Der Tod des Autors” spielt in diese Thematik ein. Das Werk eines Autors ist nicht mehr sein eigen, sondern wird ohne die Macht des Autors interpretiert und gedeutet. Der Autor mutiert zum Nichts und sein Werk ist nichts weiter als der Leser und seine Ansichten. Was kann Barton Fink davon abhalten sein anfängliches Wrestling-Drehbuch -das eigentlich keinerlei Anspruch impliziert- so umzuschreiben, dass es das “beste” ist, was er je geschrieben hat? Eigentlich nichts, aber wird sein Anspruch und sein Talent, das in diesem Drehbuch steckt, sowie die Geschichte, die er erzählt, so gesehen, wie er sie sieht. Nein. Somit ist er als Autor “tot”. Was kann ihn also retten und den Zuschauer gnädig stimmen? Diese Frage beantworten die Coen Brüder auf elegante Art und Weise.

    „Die Wahrheit mein Schätzchen ist wie eine Nutte, die bei näherer Betrachtung nicht standhält“

    Das Bild, welches über den Schreibtisch im Hotelzimmer hängt (eine Strandschönheit vorm Meer), ist die Flucht aus den Fängen der Eingeschränktheit und kommt am Ende der Katharsis gleich. So ähnlich wie bei Shining, als Jack Torrance am Ende auf dem Foto zu sehen ist und fröhlich wirkt, obwohl schreckliche Taten vorausgegangen waren, wird bei Barton Fink der Zuschauer durch die immanente Aussage des Fotos angehalten, die Situation am Meer als bereinigt und als “Happy End” anzusehen, auch wenn Barton Fink ein großes Fragezeichen bleibt, wenn er zweimal sagt: “I don’t know.” Da stört auch wenig, dass es zuvor Tote gab, ein grandioses Drehbuch, das wahrscheinlich im Kamin endet, und die Amerikaner in den 2. Weltkrieg eingreifen.

    Doch der Film und die beste Geschichte können nicht sein, ohne seine Schauspieler. Barton Fink, wird grandios verkörpert von John Turturro. Eigentlich lernt der Zuschauer ihn schüchtern kennen und muss ihn wohl oder übel als weiteren langweiligen Schreiberling abtun. Aber in verschieden Szenen wird er eines besseren belehrt.

    Fazit

    Geht es um die Literatur, um das Theater, um das Schaffen des Autors, fängt Barton Fink Feuer und John Turturro erblüht, ja explodiert förmlich in seinen schauspielerischen Möglichkeiten. Geht es dann eher ruhig zu, kommt John Goodman als der unterhaltsamere daher. Und immer hat man das Gefühl, das niemals eine Minute vergeht, wo sich die Beiden nicht ergänzen. Die Dialoge sind wohl ausgearbeitet und funktionieren tadellos. Obwohl einige Geschichten ineinander verwoben sind und wie bei David Lynch (auch wenn ich keineswegs diesen Film mit den lynschen Filmen vergleichen will) nicht bis ins kleinste Detail aufzuschlüsseln sind, kann der Film durchaus zum Meilenstein des Schaffens der Coen Brüder gezählt werden.

    Text © Valis

    Drucken   Email

  • 9.4
    Bewertung (Detail)
    9.4 von 10
    7.6,"voteCount":1308717.6,"voteCount":130871,"__typename":"RatingsSummary","notificationText":null
    IMDb.com
    7.6,"voteCount":1308717.6,"voteCount":130871,"__typename":"RatingsSummary","notificationText":null von 10
    OFDb.de
     von 10
  • Eine rabenschwarze Komödie, als filmische Achterbahnfahrt inszeniert, die dem Zuschauer den festen Boden unter den Füßen zu entziehen versucht. Perfektes Unterhaltungskino mit glänzenden Darstellern und beeindruckenden visuellen Effekten.

    - Lexikon des internationalen Films


Kommentar schreiben

*

*

* erforderliche Felder
E-Mail wird nicht veröffentlicht

OnTop